Viele hier erinnern sich an deine Geschichte – wie du zu mir kamst und in welcher erbärmlichen Verfassung du dich befandest. Ich habe mich gewundert, wieso du in diesem Zustand überhaupt noch am Leben bist. Aber du warst ein Kämpfer, du wolltest unbedingt leben. Ich habe deinen geschundenen Körper gepflegt und gesalbt und habe dich versucht möglichst ruhig zu halten, wenn du deine epileptischen Anfälle hattest. Du kleiner Kämpfer hast dich erstaunlicherweise rasch erholt, dein Wille zum Leben war trotz deiner entsetzlichen Vergangenheit ungebrochen. Dein im Kampf verlorenes Auge hat dir niemand ersetzen können, auch an deinen verkrüppelten Füssen konnte niemand etwas ändern. Aber das war dir egal, Hauptsache du konntest leben, leben, leben! Als es dir besser ging, fandest du einen schönen Platz in einem gemischten Rudel. Aber nach einiger Zeit konntest du dich auf keinen Fall mehr mit den anderen Kastraten im Rudel arrangieren. Also kamst du zu mir zurück und bekamst deinen eigenen Harem, ganz für dich allein. Hier mit deinen Damen warst du endlich richtig glücklich und hast das Leben noch für ein paar Jahre in vollen Zügen genossen. Aber dein erstes Lebensjahr in der Hölle und deine bleibenden Handycaps haben deinen Körper vorzeitig aufgebraucht. Heute Nachmittag fand ich dich in deinem Lieblingshäuschen auf der Seite liegend. Schon fast erloschen, aber doch noch immer kämpfend. Du wolltest nicht gehen, du hast so gern gelebt. Mein kleiner tapferer grosser Mann. Dich werde ich in meinem Leben ganz sicher niemals vergessen.
